Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) hat bereits einen bewegten Werdegang hinter sich. Ursprünglich vorgesehen, um dem ERV-Gesetz (Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs) Folge zu leisten, ist es heute zum tragischen Sorgenkind der Rechtsanwaltskammer geworden, die mit der Umsetzung beauftragt wurde. Nachdem der Start des beA für den 1. Januar 2016 vorgesehen war und nunmehr mehrfach verschoben wurde, ziehen erneut dunkle Wolken über dem Projekt auf.
Noch im Herbst 2015 warb die Rechtsanwaltskammer bei ihren Mitgliedern dafür, die Vorbereitungen nicht zu vernachlässigen, da der Starttermin (1. Januar 2016) kurz bevor stehe. Doch im November musste die BRAK einlenken, da das Projekt von den beauftragten Dienstleistern nicht zur Zufriedenheit der BRAK umgesetzt werden konnte. Danach kam lange nichts, bis schließlich im April der 29. September 2016 als neuer Starttermin bekannt gegeben wurde. Das bestehende und funktionierende(!) EGVP, welches bisher als Übertragungsweg genutzt werden konnte, wurde daraufhin verlängert.
In weiten Teilen der Anwaltschaft stößt das beA nicht auf Zustimmung, weil es kompliziert, teuer und mit einer Umstellung der Kanzleiorganisation verbunden ist. Es stellt sich die Frage, wer das beA eigentlich haben will und ob es nicht klug gewesen wäre, die Mitglieder geeignet in die Entwicklung einzubeziehen, um eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Aber selbst wenn man dies außen vor lässt, kommen weitere Probleme auf das beA zu.
So musste das Bundesjustizministerium (BMJ) im Januar 2016 eingestehen, dass in der BRAO – und insbesondere nicht im neu eingefügtem § 31a – und auch an anderer Stelle keine ausdrücklich gesetzliche Verpflichtung der Rechtsanwälte für die Nutzung des beA vorgesehen sei. Auch die §§ 130a und 130d der ZPO sehen eine elektronische Einreichung von Schriftsätzen bei Gericht vor. Die BRAK möchte ihrerseits nunmehr einen Nutzungszwang für ihr System (beA) durchsetzen. Einige Rechtsanwälte stellten jedoch vor dem Anwaltsgerichtshof in Berlin den Eilantrag, dass die BRAK es unterlassen solle, für sie ein Postfach einzurichten, ohne dass sie dem zugestimmt hätten. Es hätte nämlich passieren können, dass mit der Einrichtung elektronische Post in Briefkästen gelandet wäre, die man gar nicht hätte benutzen können, da die Technik nicht funktioniert. Hier drohte das Risiko der Haftung. Eine Entscheidung in dieser Sache bleibt abzuwarten.
Der Verlauf des Werdegangs des beA spiegelt wider, wie wenig professionell die Umsetzung offensichtlich angegangen wurde. Erstaunlich ist hier insbesondere, dass sich gerade eine Organisation wie die BRAK im Vorfeld keine Gedanken zur juristischen Durchsetzbarkeit der verpflichtenden Nutzung gemacht hat und sich nunmehr am 6. Juni 2016 eine Abfuhr beim Anwaltsgerichtshof abholte.
In der Entscheidung heißt es, dass es sich um einen rechtswidrigen Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit handle, dass die Kammer ohne gesetzliche Grundlage die Kollegen nötige, auf Basis des beA Dokumente übersendet zu bekommen. Dummerweise wurde bei der Entwicklung des beA nicht berücksichtigt, dass es erforderlich sein könnte, einzelne Postfächer freizuschalten und andere nicht, was im Ergebnis bedeutet, dass zunächst überhaupt kein Postfach in Betrieb gehen kann.
Betrachtet man all dies, kann man wohl wirklich von einem „sehr“ besonderen elektronischen Anwaltspostfach reden und muss die Frage stellen, warum die bestehende Infrastruktur des EGVP nicht sinnvoll weiterentwickelt wurde und stattdessen für viel Geld versucht wurde, das Rad neu zu erfinden.
Wie dem auch sei, man munkelt von weiteren 500.000 €, die in die Hand genommen werden müssen, um diese Anforderung umzusetzen. Ein teurer Planungsfehler. Das BMJ will nunmehr die Gesetzesgrundlage schaffen, um das beA durchzusetzen und die entsprechenden Paragraphen und Regelungen anpassen. Danach müssen Rechtsanwälte ab dem 1. Januar 2018 verpflichtend am beA teilnehmen. Das bedeutet aber auch, dass das beA bis zum 1. Januar 2018 eigentlich kein Thema mehr ist.
Die Entscheidung in vorgenanntem Rechtsstreit steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, was noch auf die Anwälte zukommt und ob das beA jemals in der geplanten Form umgesetzt wird. Wer weiß schon, welche „unvorhersehbaren“ Unwägbarkeiten noch auf die BRAK zukommen.
Wenn es dann am 1. Januar 2018 zur Umsetzung kommt, stellt sich dann noch die Frage: Wer kann jetzt überhaupt mit wem über das beA kommunizieren? Denn nach heutigem Wissensstand wird eine Reihe von Bundesländern die Umsetzung bis dahin nicht schaffen und damit die Gerichte über das beA nicht erreichbar sein. Damit wird die Situation schon fast absurd, denn nach jahrelangem hin und her wird das beA dann zum Zeitpunkt der Aktivierung genau das, was es können sollte, nicht leisten, nämlich die flächendeckende und sichere Erreichbarkeit aller am Rechtsverkehr beteiligten Organe der Rechtspfleger.
Am Rande sei bemerkt, dass die Anwälte während des gesamten Zeitraums mit einer Sonderumlage zur Kasse gebeten werden, irgendwie muss ein solches Prestige-Projekt ja schließlich finanziert werden.